Sebastian Priller, Bier-Kreativer, Weltmeister der Biersommeliers und Chef der Riegele Brauerei Augsburg in einer Person.
Zitat: „Für mich ist Bier kein Getränk. Es ist eine Art Philosophie, es ist flüssige Lebensfreude.“
1. Du bist amtierender Biersommelier-Weltmeister. Wie muss man sich so eine WM vorstellen? Was muss man tun, um den Titel zu erringen?
Zunächst muss man Bier lieben und die Fähigkeit besitzen, die Freude am Gerstensaft zu vermitteln. Aber es gehören auch gewisse sensorische Fähigkeiten dazu, die in 20 Blind-Verkostungsproben bewiesen werden müssen. Ein Wissenstest rund um weltweite Bierstile, Hopfensorten und Aromakunde runden das ganze ab. Tja, und dann gilt es im Finale vor Fachpublikum und Presse die Jury mit einem Spontanvortrag zu überzeugen…
2. Im kommenden Jahr findet die nächste WM statt. Du hast im Vorfeld bekannt gegeben, dass du den Titel nicht verteidigen willst. Welchen Tipp hast Du für die Teilnehmer der kommenden WM? Wie trainierst Du Deinen Geruchs- und Geschmackssinn?
Üben, üben, üben. Ich habe drei Monate vor der WM mit einem intensiven Training angefangen. D.h. jeden Tag im Blindtest 5 Bierstile und 5 Aromen geübt und immer wiederholt. Dazu gehört die Lektüre einiger Bierbücher. Das klingt nach Arbeit, was es auch ist, aber es macht auch wahnsinnig viel Spaß. Kurz vor der WM habe ich dann nur noch „Problemaromen“, bei denen ich einen hohen Schwellenwert besitze, geübt.
Aber ich habe nicht aufgrund des Übungspensums beschlossen, meinen Titel nicht zu verteidigen. Ich war und bin der Meinung, dass es nach 2 Jahren einen neuen Kopf geben soll, der dem Bier wiederum andere Impulse geben kann.
3. Du leitest eine wunderbare Familienbrauerei in Augsburg. Wie kann man auf dem hart umkämpften Biermarkt gegen die nationalen und internationalen Riesen erfolgreich bestehen?
Mit einer guten Mannschaft, die die wichtigste Zutat für Bier hat: Leidenschaft. Wir sind ein bierverrückter Haufen und haben uns ganz und gar echten Bierspezialitäten verschrieben. Und wir sind ehrlich und authentisch. Wir sagen Bierliebhabern, ‚Kommt vorbei und überzeugt euch selbst‘. Das macht den Unterschied. Ich glaube, nur wenn man das was man macht, so gerne macht wie wir, schafft man das Arbeitspensum, denn das gehört auch dazu. In der Summe sind wir, wie wir sind, und vergleichen uns nicht mit den Konzernen. Warum auch. Wir brauen nicht für den Massenkonsum.
4. Erzähl uns ein wenig von den sechs tollen Kreativbieren – der Riegele Edition, die Du mit deinem Brauerteam zusammen entwickelt hast. Was sind das für Biere?
Das ist eigentlich unser Hobby und Leidenschaft. Unsere Braumeister, mein Vater und ich, wir wollten eine echte Manufaktur und haben uns nach vielem Planen eine BierManufaktur geleistet. Und hier entstehen in reiner Handarbeit wirklich besondere Biere mit zweifacher Gärung, mit echter Holzfasslagerung und besonderen Lagerverfahren. Unser Michaeli ruht ein Jahr bei null Grad, unser Imperial Stout ‚Sherry‘ lagert auf ehemaligen Sherry Fässern und unser Chocolate Porter besticht durch ein wunderbares Sextett an Malz. Das sind wirkliche Genusserlebnisse für Fortgeschrittene. Auf solche Biere muss man sich einlassen. Man muss Sie zelebrieren. Aber wenn es einen einmal packt, dann kann man nicht mehr davon lassen. Was als Hobby angefangen hat, wird mittlerweile derart nachgefragt, dass wir bald eine ganze Hobbymannschaft brauchen…
5. Ich habe gehört, dass ihr sogar Sherryfässer umbauen lassen habt, um ganz besondere Biere darin zu lagern und ein besonderes Aroma zu verleihen. Stimmt das? Wo ist der Unterschied zur Arbeit mit Holzchips?
Ja, es stimmt. Und, Holzfasslagerung muss man lernen. Es hat gedauert, bis wir sie verstanden haben. Die Wahl des richtigen Fasses ist entscheidend, aber auch, wie lange das Bier auf dem Holz liegt und welches Potenzial es hat. Wer unser Riegele Imperial Stout ‚Sherry‘ einmal genießt, der wird merken, dass es ein besonderes Pflaumenaroma mitbringt. Das kommt rein über die Holzlagerung. Und dieses Aroma passt traumhaft zu den Kaffee und Schokoladenaromen des Stouts.
Und nun zu den Holzchips. Da frage ich zurück: Was ist besser? Ein Bier mit künstlichen Grapefruitaromen aus dem Labor oder ein Bier, bei dem sich der Braumeister ehrliche Gedanken über die Hopfung gemacht hat und es durch die richtige Wahl geschafft hat, ein natürliches und weitaus komplexeres Grapefruitaroma ins Bier zu zaubern. Dazu kommt, dass Genuss Emotion ist. Ein Chipping oder künstliche Aromabeigaben haben nie das gleiche Genusspotential, wie eine handwerklich gebraute Bierkreation.
6. Aber auch euer klassisches Biersortiment – speziell das Commerzienrat und das Kellerbier sind ungewöhnlich gut. Die kürzliche Prämierung des Commerzienrat zum „Bier des Jahrzehnts“ durch den Bierclub und den Gold Award für das Aecht Dunkel beim diesjährigen EBS bestätigen das eindrucksvoll. Lüftest Du ein wenig das Geheimnis für diesen Erfolg?
Ehrliche Braukunst. Harte leidenschaftliche Arbeit. Fertig. Naja, dazu kommt, dass wir unsere Hopfenbauern, Gerstenbauern und unseren Mälzer persönlich kennen, unsere Hefen eigens züchten und unseren eigenen Tiefbrunnen mit Mineralwasserqualität haben. Wir pflegen die traditionellen Brautechniken wie die Spelzentrennung, ein aufwendiges Verfahren, bei dem von jedem Malzkorn die Hülle entfernt wird und nur das Grieß, das Filet des Malzes, eingemaischt wird. Auch werden unsere Hefen nicht 5 oder 6 Mal eingesetzt, sondern frisch kultiviert, unser Bier bis zu 90 Tage gelagert, nicht pasteurisiert oder sonstig vergewaltigt! Aber das sind alles nur Worte. Ich sage immer, übernehmt den SlowFood Gedanken und besucht unser Brauhaus Riegele. Dann könnt Ihr Euch selbst überzeugen.
7. Mit dem Herrenpils schwimmt ihr gegen den Strom der Geschmacksvereinheitlichung und immer weniger Hopfen. Was ist anders am Herrenpils? Was sagen die Verbraucher dazu?
Bier darf eines niemals sein. Charakterlos. Während alle Pilsbiere jeden Tag weniger Hopfengeschmack aufweisen, gehen wir den anderen Weg. Mehr Hopfen, mehr Geschmack, mehr Charakter. Natürlich akzeptiere ich dann, wenn jemand zu mir sagt, es sei ihm zu herb. Wunderbar, so soll es sein. Denn dann habe ich unser Feines Urhell für Dich oder den Commerzienrat! Wir haben eine Biergenussvielfalt und nicht nur eine Vielfalt an Etiketten!
8. Der deutsche Biermarkt ist in Bewegung. Wie wird er Deiner Meinung nach 2033 aussehen? Und wo siehst Du Riegele dabei?
Da wage ich keine Prognose. Eines weiß ich aber. Uns gibt’s seit 1386! Wir denken in Generationen, nicht in Shareholder Value. Will heißen, wir stehen auch 2033 noch am Sudkessel und kreieren besondere Biere! Vielleicht ist ja dann auch schon die 29. Braugeneration mit am Ruder!
9. Das Kellerbier gibt es als Spezialvariationen mit Citra und Simcoe Hopfen. Was bewegt einen dazu, ein „fertiges“ Rezept noch einmal anzupassen? Und auf welche weiteren Experimente dürfen wir noch gespannt sein?
Wir haben die Philosophie, dass es eines nicht gibt: Das „beste“ Bier! Deshalb ist es unser Ziel, immer noch ein klein wenig besser zu werden und auch feine Nuancen herauszuarbeiten. Und das ist ein Weg, kein Ziel. Fazit: Wir hören nie auf.
10. Das Reinheitsgebot wird in Kürze 500 Jahre alt. Ist es für Dich Bewahrung von Qualität und Verbraucherschutz oder Behinderung der Kreativität der Brauer? Ändert sich Deine Meinung, wenn wir davon ausgehen, dass bei einer Aufhebung trotzdem nur natürliche Zutaten verwendet werden dürften?
Ich sehe das so: Das Reinheitsgebot ist eine Errungenschaft, die wir nicht so schnell aufgeben sollten. Augsburg hat sogar ein eigenes von 1156, von Friedrich Barbarossa! Und man kann so vielfältige Geschmacksrichtungen innerhalb des Reinheitsgebotes erreichen, über die richtige Wahl der Hefen, des Hopfens, des Malzes und auch des Wassers. Und wenn man ein Dubbel mit Honig braut ist das auch wunderbar. Ich darf es dann halt nur nicht Bier nennen.
11. Du hast uns (Biersommeliers) beim Jahrestreffen, welches kürzlich stattgefunden hat, Deine wunderschöne Brauerei nebst Biermanufaktur und Brauwelt gezeigt. Können auch normale Gäste in den Genuss einer Besichtigung kommen?
Logisch, wir freuen uns auf jeden Bierinteressierten. Du kannst bei uns Braukurse machen, Brauereiführungen oder Bierexpertenabende. Natürlich lohnt auch ein Besuch im Riegele WirtsHaus oder im Riegele BierGarten. Hier mein Vorschlag: Du machst eine kleine Tagung in der Riegele BierAkademie, gehst dann mit Freunden ins WirtsHaus mit anschließender Brauereibesichtigung, bevor Du abends in der BierManufaktur eine bierige Feier machst. Und weil Du dann viel zu spät nach Hause kommst, bringst Du Deiner Frau etwas mit…natürlich aus dem Riegele BierLaden!