HLW-Deidesheim: Die Craft Beer-Bewegung in den USA ist in Deutschland angekommen. Auch hierzulande boomen Klein- und Kleinstbrauereien. Sie alle verbindet ein Ziel: Neue, interessante Geschmacksrichtungen zu kreieren, ohne das Reinheitsgebot zu verletzen. Erlaubt sind Wasser, Hopfen, Malz – und zum Gären die Hefe. Von den vier Rohstoffen bildet die Hefe die meisten Aromakomponenten, allerdings werden derzeit nur etwa 20 verschiedene Hefearten eingesetzt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU München wollen dies ändern: Sie erforschen Hefestämme, die dem Gerstensaft völlig neue Aromen entlocken. Seit Jahrzehnten werden für die Bierherstellung hauptsächlich altbewährte Kulturhefestämme genutzt, zum Beispiel der Stamm Saccharomyces pastorianus var. carlsbergensis TUM 34/70 (untergärige Hefe) oder der Stamm Saccharomyces cerevisiae TUM 68 für das obergärige Weizenbier. Dabei birgt der Hefepilz ein deutlich größeres Potenzial, denn Hefe ist ein vielseitiger Organismus: Biologen schätzen, dass es an die 670.000 verschiedene Hefearten mit individuellen Aromaprofilen gibt. „Davon sind 1.500 bekannt, aber nur etwa 20 werden industriell für Fermentationsprozesse genutzt“, erklärt Dr. Mathias Hutzler, Abteilungsleiter Mikrobiologie und Hefezentrum am Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität. „In den verschiedenen Stammsammlungen existieren etwa 300 frei verfügbare Brauereihefestämme, allein 220 werden an der TUM aufbewahrt.“ Jeder Hefestamm bildet ein charakteristisches Aromaprofil im Bier aus.
Aktuell liegen Hefestämme mit ungewöhnlichen Aromen im Trend. Am Hefezentrum werden derzeit etwa 70 Bier-Hefestämme angeboten, doch Hutzler und seine Kollegen verfolgen das Ziel, weitere Stämme aus der TUM-Sammlung biochemisch zu analysieren und zu verkosten. In einer kürzlich durchgeführten Studie charakterisierten sie vier Ale-BierHefestämme. Obwohl diese der gleichen Bierwürze zugegeben wurden, ergeben sich beim fertig gebrauten Bier sehr unterschiedliche und teils überraschende Geschmacksnoten. Ein Hefestamm wartete mit malzigen, honig- und apfelartigen Biernoten auf, bei einem zweiten überwogen die Aromarichtungen „fruchtig, Maracuja, malzig und Gummibärchen“. Ein dritter Hefestamm wies neben hefigen auch die Aromaanteile Banane und Gewürznelke auf. Das von den geschulten Verkostern bevorzugte Bier bestach mit dem Profil „kräftiges Beerenaroma, honigartig, Gummibärchen“. Wie dieses Beispiel zeigt, können Hefestämme das Bieraroma entscheidend prägen. Mit der riesigen natürlichen Vielfalt bei den Hefearten und – stämmen ergeben sich nahezu unbegrenzte Geschmacksmöglichkeiten. „In Zukunft 3 können sich Bierliebhaber von vielen verschiedenartigen Bieren, die mit Spezialhefen hergestellt werden, überraschen lassen“, ist Hutzler überzeugt.